Jetzt will es Nio wissen: Mit dem EL6 zielt der chinesische Autohersteller direkt auf den Audi Q6 e-tron. Mit großer Reichweite, Premium-Anspruch und der einzigartigen Akku-Tausch-Technik hat der Nio technisch auch einiges zu bieten. Testfahrt, Daten, Preis.
Mittelklasse-SUV Nio EL6 ab sofort bestellbar
Zwei Akku-Größen (75 und 100 kWh), bis zu 529 Kilometer Reichweite
Preis ab 53.500 Euro zuzüglich Akku(miete)
Einen Fehler sollten Mercedes, Audi und BMW nicht machen: Nio unterschätzen. Denn auch wenn der Newcomer aus China noch den wenigsten Autokäufern ein Begriff ist, hat das Unternehmen den etablierten Premiummarken längst gezeigt, was sie drauf haben. Top-Noten im ADAC Autotest für den BMW 7er-Konkurrenten ET7 (1,9), das Oberklasse-SUV EL7 (2,0) und das Mittelklasse-Auto ET5 (1,8) sprechen eine deutliche Sprache. Allesamt Elektroautos übrigens, Verbrenner hat Nio nicht im Angebot.
Jetzt kommt auch noch der EL6, der direkt auf das beliebte Mittelklasse-SUV-Segment zielt. Und damit auf das Tesla Model Y, den BMW iX3 und vor allem den kommenden Audi Q6 e-tron. Doch während Audi immer noch an seinem Modell herumlaboriert und erst 2024 auf den Markt will, ist der Nio EL6 bereits jetzt zu haben. Und er dürfte gut ankommen, so der Eindruck nach der ersten kurzen Testfahrt.
Nio EL6: Hochwertiger Innenraum
Optisch lehnt sich der EL6 an die anderen Nios an und fügt sich daher gut in die Modellpalette ein. Auch innen zieht sich der bekannte Nio-Stil durch mit edlem Ambiente, bester Verarbeitung und hochwertigen Materialien. Die Lüftungsdüsen sind versteckt und arbeiten zugfrei, hinter dem Lenkrad befindet sich ein kleiner Bildschirm für die wichtigsten Fahrdaten, und auf der Mittelkonsole dominiert ein Touchscreen – Tasten sind Mangelware. Wer schon einmal in anderen Nios-Modellen gesessen ist, wird bei der Gestaltung des Armaturenbretts kaum einen Unterschied zu den Schwester-Modellen bemerken.
Auch bei der Bedienung gleicht der EL6 den anderen Fahrzeugen: Für Nio-Neulinge ist sie herausfordernd, es sei denn, man steigt von einem Tesla um, der sehr ähnlich funktioniert. Heißt für die meisten: erst mal klarkommen mit vielen Menüs, Untermenüs sowie zahllosen, nicht immer sinnigen Einstellmöglichkeiten und der Tatsache, dass selbst Lenkrad und Außenspiegel über den Touchscreen verstellt werden müssen.
Fraglos wären hier Knöpfe praktischer, doch die wird einem der Hersteller auch weiterhin verwehren, selbst wenn die "User", so nennt Nio seine Kunden, über die schlaue Kunstfigur Nomi auf dem Armaturenbrett direkt Verbesserungsvorschläge via Sprache an die Nio-Techniker schicken können.
Nio reagiert auf die Wünsche der Kunden
Viele der Kundenvorschläge seien auch schon direkt umgesetzt worden, sagen die Nio-Leute nicht ohne Stolz auf ihre "Community" und ihre schnelle Reaktion auf Feedback. Via Update over the air lässt sich schließlich vieles rasch erledigen. Die zahlreichen Warntöne sind zum Beispiel nicht mehr so dominant, nerven aber teilweise immer noch, vor allem wenn es mal wieder piept und blingt, ohne dass der Fahrer oder die Fahrerin genau weiß, warum eigentlich.
Zwar maßregelt auch der Nio EL6 den Fahrer beim Überschreiten der aktuellen Geschwindigkeit (eine EU-Vorschrift) schon beim ersten km/h mit einem blinkenden Tempolimit-Symbol und einem weiteren "Bling". Doch wer davon schnell genervt ist, kann die lästige Bimmelei nun leichter und mit einem Touch auf dem Bildschirm abschalten.
Welches Tempolimit gilt, zeigt der EL6 aber dennoch weiterhin zuverlässig an – übrigens auch im serienmäßigen Head-up-Display. Wünschenswert wäre noch, dass der EL6 nicht die unrealistische WLTP-Prüfstand-Reichweite im Display hinter dem Lenkrad vorgaukelt, sondern die tatsächlich nach der individuellen Fahrweise errechnete.
Viel Platz und viel Komfort im Elektro-SUV
Platz gibt es in Hülle und Fülle, besonders die Beinfreiheit im Fond ist bemerkenswert. Die Rückenlehne für die hinteren Mitfahrer lässt sich übrigens elektrisch in der Neigung verstellen, es gibt auch ein eigenes Display für die Klimaanlage.
Beim Kofferraum spricht Nio von 579 Liter Volumen bei aufgestellten Sitzen, was der EL6 bei einem kommenden ADAC Test aber erst noch beweisen muss. Denn zumindest unter der Gepäckabdeckung wirkt der Kofferraum arg flach. Einen Frunk gibt es übrigens nicht unter der Fronthaube – schade, so müssen die Ladekabel in den doppelten Boden im Kofferraum.
So edel wie der EL6 aussieht, so komfortabel fährt er. Mit guter Geräuschdämmung versehen, drängen sich weder Wind- noch Fahrgeräusche in den Vordergrund, die Federung bügelt zuverlässig alle Unebenheiten glatt, selbst wenn die Dämpfung auf "hart" statt auf weich umgestellt wird. Hier merkt man tatsächlich keinen großen Unterschied, was auch gar nicht möglich wäre, denn der EL6 hat keine Luftfederung.
EL6: Komfortabel und sportlich
Wesentlich stärker fällt eine andere Einstellung ins Gewicht. Unter "Fahrprogramme" (auch per Knopf anwählbar) finden sich nicht nur vordefinierte Modi von Eco bis Sport+. Sie lassen sich teilweise auch nach den persönlichen Präferenzen anpassen: Im Hinblick auf die Federung, das regenerative Bremsen (drei Stufen), aber auch auf die Beschleunigung. Und da wird es interessant: Der Fahrer oder die Fahrerin kann tatsächlich wählen, ob das 360 kW/490 PS starke SUV in 4,5 in 5,9, in 7,9, 9,9 oder 12,9 Sekunden auf 100 km/h sprinten können soll.
In der langsamsten Stufe geriert sich der EL6 wie eine schwiegermuttertaugliche Familiensänfte, deren Leistung zwar ausreicht, aber natürlich kein Feuer der Begeisterung entfacht. Die beiden mittleren Stufen sind das Mittel der Wahl für den Alltag. Und in den schnellsten Beschleunigungsstufen wird der EL6 schließlich zum Tier. Beim Tritt auf das Fahrpedal reißt es das Allrad-SUV förmlich vom Fleck als wäre man auf der Flucht, die überbordende Kraft wird spontan und verzögerungsfrei in Vortrieb umgesetzt – und ehe man sich's versieht, macht es schon wieder "Bling" und das Landstraßentempo ist überschritten.
Das Fahrwerk kann mit der Kraft übrigens gut mithalten und macht auch eine anspruchsvollere Kurvenhatz klaglos mit. Wenn sich jetzt auch noch die Lenkung weniger synthetisch anfühlen würde und so direkt wäre wie in einem Tesla Model Y, könnte der EL6 sogar Sportwagenfahrer überzeugen.
EL6: Bis zu 529 Kilometer Reichweite
Was die Reichweite angeht, gibt's auch beim EL6 nichts zu mäkeln, denn wie seine Brüder setzt auch er auf eine 75- und auf eine 100-kWh-Batterie (brutto), die Reichweiten von 406 bzw. 529 Kilometern am Stück nach WLTP ermöglichen soll. In der Praxis sollten davon mit der kleinen Batterie rund 350 machbar sein und der großen sollte man 470 zutrauen können. Wie es tatsächlich mit Verbrauch und Reichweite steht, muss noch ein kommender, ausführlicher ADAC Test klären.
Weil der EL6 auf die standardisierten Batterien setzt, können auch mit ihm die Nio-eigenen Akku-Wechsel-Stationen genutzt werden. Circa 20 der "Power-Swap-Stations" will Nio bis Ende 2023 in Deutschland aufgestellt haben (in China sind es derzeit mehr als 1600). Auf lange Ladezeiten muss sich so keiner einstellen, auf dessen Route eine der garagenförmigen Boxen liegt. Dort ist eine leere Batterie vollautomatisch in 5 bis 10 Minuten ausgetauscht, und es geht mit voller Kraft weiter.
Doch auch das Laden selbst hat Nio verbessert, zumindest bei der 100-kWh-Batterie. Sie lässt sich nun mit bis zu 180 kW Spitzenleistung aufladen (75 kWh: 130 kW), wodurch sich die Ladezeit an DC-Säulen auf 30 Minuten für den Hub von 10 auf 80 Prozent beschränken soll. Auch das werden wir testen.
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Preis: Ab 53.500 Euro – plus Batterie
Bleibt noch der Preis. Nahezu voll ausgestattet, kommt der Nio EL6 auf einen Grundpreis mit 75-kWh-Batterie von 53.500 Euro. Klingt fair, doch der Preis versteht sich ohne Batterie, die im Falle der 75-kWh-Version 12.000 Euro und der 100-kWh-Variante 21.000 Euro extra kostet. Alternativ lassen sich die Akkus auch mieten (169 und 289 Euro je Monat), was den Vorteil hat, dass man auch die Akku-Wechsel-Stationen nutzen kann. Beim Kauf geht das nicht.
Swap-Stationen hat die Konkurrenz nicht zu bieten, sie bleiben ein Alleinstellungsmerkmal von Nio. Doch die braucht die deutsche Konkurrenz möglicherweise auch nicht. Denn Audi und Porsche setzen bei Q6 e-tron und Macan E auf 800-Volt-Technik mit bis zu 270 kW Ladeleistung für das superschnelle Nachladen. Zumindest diesen Vorteil dürften die Deutschen dann haben – viel mehr aber auch nicht. Es bleibt spannend.
Nio EL6: Technische Daten und Preise
Technische Daten (Herstellerangaben) | NIO EL6 (75 kWh) (inkl. Batterie) (ab 10/23) | NIO EL6 (100 kWh) (inkl. Batterie) (ab 10/23) |
---|---|---|
Motorart | Elektro | Elektro |
Leistung maximal in kW (Systemleistung) | 360 | 360 |
Leistung maximal in PS (Systemleistung) | 490 | 490 |
Drehmoment (Systemleistung) | 700 Nm | 700 Nm |
Antriebsart | Allrad | Allrad |
Beschleunigung 0-100km/h | 4,5 s | 4,5 s |
Höchstgeschwindigkeit | 200 km/h | 200 km/h |
Reichweite WLTP (elektrisch) | 406 km | 529 km |
CO2-Wert kombiniert (WLTP) | 0 g/km | 0 g/km |
Verbrauch kombiniert (WLTP) | 21,2 kWh/100 km | 20,4 kWh/100 km |
Batteriekapazität (Brutto) in kWh | 75,0 | 100,0 |
Ladeleistung (kW) | DC:140,0 | DC:180,0 |
Kofferraumvolumen normal | 597 l | 597 l |
Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank | 1.430 l | 1.430 l |
Leergewicht (EU) | 2.303 kg | 2.323 kg |
Zuladung | 540 kg | 520 kg |
Anhängelast ungebremst | 750 kg | 750 kg |
Anhängelast gebremst 12% | 1.200 kg | 1.200 kg |
Garantie (Fahrzeug) | 5 Jahre oder 150.000 km | 5 Jahre oder 150.000 km |
Länge x Breite x Höhe | 4.854 mm x 1.987 mm x 1.703 mm | 4.854 mm x 1.987 mm x 1.703 mm |
Grundpreis | 65.500 Euro | 74.500 Euro |
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Author: Brandon Schwartz
Last Updated: 1699200842
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