Anleger rund um die Welt hatten sich in den vergangenen Jahren an das Niedrigzinsumfeld gewöhnt, Aktieninvestments wurden als alternativlos deklariert. Doch die Zeiten haben sich geändert: Nach offensiven Leitzinserhöhungen werfen Anleihen wieder attraktivere Renditen ab. Der erfahrene Investor Howard Marks rät daher zu einem Umdenken.
• Investmentexperte Marks lobt die Zuverlässigkeit der Einkünfte durch Anleihenkauf
• Rückkehr zu höheren Zinsen biete Anlegern große Chancen
• Selbst Anleihen von stabilen Staaten und starken Unternehmen lohnten sich wieder
TINA - There is no Alternative - war das Schlagwort für viele Aktienanleger während der Niedrigzinsphase zwischen 2009 und 2021: Da Anleihen, Festgeldkonten oder Lebensversicherungen so gut wie gar keine Rendite mehr abwarfen, galt ein Investment in Unternehmensbeteiligungen - oder auch in Immobilien - für viele Experten als alternativlos. Doch die Zinswende, die im Frühjahr 2022 mit den ersten Leitzinserhöhungen vonseiten der US-Zentralbank Fed eingeleitet wurde, hat das Marktumfeld erheblich durcheinander gewirbelt.
Marks: Renditen von Anleihen sind "zuverlässiger"
So bieten sich besonders risikoaversen Anlegern, die die garantierten Renditen der Anleihen der als unsicher geltenden Performance der Aktien vorziehen, inzwischen wieder gute Möglichkeiten. Das betont auch der Co-Vorsitzende der US-Investmentgesellschaft Oaktree Capital, Howard Marks, im firmeneigenen Oaktree-Podcast. Inzwischen könnten Anleger mit nicht allzu riskanten Anleihen aktienähnliche Renditen erhalten, und zwar auf einer "vertraglichen, zuverlässigeren Basis, und das ist etwas Neues im Vergleich zu den letzten Jahren", unterstreicht Marks.
Marks rechnet auch zukünftig mit einem höheren Zinsniveau
Er betrachtet das Comeback der Zinsen als eine Rückkehr zu Normalität. In den letzten 40 Jahren seiner Aktivitäten am Kapitalmarkt seien die Zinsen konstant gefallen, diese Entwicklung sei nun endgültig vorbei. "Wenn man etwas 40 Jahre lang miterlebt, neigt man dazu zu sagen: 'Nun, das ist normal', aber das ist es nicht", hebt der Investment-Veteran hervor. "Und das Einzige, wovon ich überzeugt bin, ist, dass die Zinssätze nicht um weitere 2.000 Basispunkte sinken werden", sagte er. "Im Jahr 1980 hatte ich persönlich einen Kredit zu 22,25 Prozent, und im Jahr 2020 konnte ich einen Kredit zu 2,25 Prozent aufnehmen, die Zinsen sind also um 2.000 Basispunkte gesunken. Das wird nicht wieder passieren, dafür gibt es keinen Spielraum." Vielmehr geht Marks davon aus, dass die Zinsen in den kommenden Jahren allgemein wieder eine steigende Tendenz zeigen werden. Derzeit liegt der Leitzins in den USA zwischen 5 und 5,25 Prozent, im Euroland beträgt der Wert 4 Prozent.
Schwache Aktienjahre voraus?
Im Gegensatz zu dem sicheren Einkommen durch Anleihen ist Marks skeptisch, ob Aktien in den kommenden Jahren gut performen werden. Die Zeit der ultraliquiden Geldpolitik, die es Unternehmen ermöglichte, günstig an Kredite zu kommen, werde ihre Auswirkungen zeitigen. Das sieht Marks Kollege David Rosenberg, Protfoliomanager bei Oaktree Capital, ähnlich. Bei Aktien, wo die Renditen vom Wachstum abhängen, "haben wir viel Wachstum gesehen, weil das Geld frei war, und wenn Geld frei ist, leihen sich die Leute viel davon", erläutert Rosenberg im Oaktree-Podcast. Er fügt hinzu: "Bei Schulden braucht man kein Wachstum". Deshalb böten Anleihen, die auch als Schuldverschreibungen bezeichnet werden, in Zeiten von Konjunkturflaute ein sehr gutes Chancen-Risiko-Profil.
Selbst sichere Anleihen werfen wieder positive Renditen ab
Rosenberg gilt als ein anerkannter Experte für Hochzinsanleihen - also von Schuldverschreibungen von Unternehmen mit ungewisser Zukunft, die risikofreudige Anleger mit hohen Renditen belohnen. 2021 habe Rosenberg noch "gescherzt", als er vorschlug, die Anlageklasse in "mittlere Renditen" umzubenennen. Zu diesem Zeitpunkt boten nämlich selbst hochriskante Bonds nur eine Rendite von 4 bis 5 Prozent, die in keinem Verhältnis zum Risiko stand. Seit der Zinswende stiegen diese allerdings wieder auf 9 bis 10 Prozent und stellen mittlerweile wieder eine gute Anlageoption für erfahrene Investoren mit hohem Risikoappetit dar.
Aber auch deutlich sicherere Anleihen, wie solche von den mit der höchsten Bonitätsstufe "AAA" versehenen Unternehmen wie Microsoft oder Johnson & Johnson, bieten inzwischen wieder eine deutlich höhere Rendite im mittleren einstelligen Prozentbereich an. Selbst Staatsanleihen von solchen Ländern, die als äußerst sicher und stabil gelten, werfen wieder eine Rendite ab. Beispielsweise können Anleger bei den zehn Jahre laufenden deutschen Bundesanleihen aktuell 2,45 Prozent pro Jahr einnehmen, bei den ebenfalls zehnjährigen US Treasuries liegt dieser Wert sogar bei 3,85 Prozent (Stand ist jeweils der 04. Juli 2023).
Zwar liegt die erwartete Aktienmarktrendite mit etwa sieben Prozent noch etwas höher, es steht aber außer Zweifel, dass ein Engagement am Aktienmarkt für institutionelle Investoren ebenso wie für Privatanleger nicht mehr alternativlos ist. Diese Einschätzung vertritt auch der Anleihen-König Jeffrey Gundlach, der Anlegern sogar eine Depotgewichtung von 20 Prozent Aktien, 60 Prozent Anleihen und 20 Prozent Gold empfiehlt.
Redaktion finanzen.net
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